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Allgemein

Zwei Fragen, die jedes Produkt beantworten muss. 


By 10. Oktober 2015März 11th, 2017One Comment

Vor einigen Wochen stand ich mit dem Produktmanager, dem Vertriebsleiter und dem Markenverantwortlichen eines mittelständischen Unternehmens in einem nüchtern eingerichteten Konferenzraum. Unsere Blicke waren auf eine Megaplan-Wand gerichtet. Sie war mit braunem Papier bespannt. Auf dieser Wand wollten wir den Verkaufsprozess für ihr neustes Produkt skizzieren. Eine komplexe aber hochinnovative IT-Lösung für Geschäftskunden. Keine einfache Aufgabe. An der Kaufentscheidung würden viele Personen beteiligt sein. Die Geschäftsführung. Der IT-Leiter. Wahrscheinlich auch mehrere Unternehmensberater, die ganz eigene Interessen mitbringen. 
Die Frage lautete also: Welche Geschichte würde sie alle überzeugen?

In einem offenen Brainstorming riefen sie mir ihre Ideen zu. Ich schrieb sie auf Post-It Notizen und klebte sie an Wand. 
“Wir müssen die neuen Funktionen in den Vordergrund stellen und die Techniker beim Kunden überzeugen“, sagte der Produktmanager. Er zählte die technischen Vorteile auf, die das Produkt von seinen Vorgängern und von der Konkurrenz unterschied. In seiner Stimme war Stolz zu hören. Die Entwicklung hatte Jahre gedauert.

„Nein“, sagte der Vertriebsleiter. „Die Geschäftsführung, die das Geld gibt, versteht nichts von Technik. Selbst hier im Haus verstehen die meisten nicht, wie dieses Produkt genau funktioniert. Wir müssen zuerst zeigen, dass diese Lösung für den Kunden lukrativ ist. Er will sich sicher sein, dass seine Investition etwas bringt. Dafür brauchen wir einen klaren USP und einen Proof of Concept, um den ROI zu beweisen.“ Und um seinen Standpunkt zu deutlich zu machen, erzählte er von den ersten Verkaufsgesprächen, die er auf der letzten Messe bereits geführt hatte.

„Aber wir müssen doch erst mal Interesse wecken.“, hielt der Markenverantwortliche dagegen. „Die meisten potentiellen Kunden müssen ihren Bedarf an einer neuen Lösung erst mal erkennen. Das gelingt nur wenn wir das Produkt emotional aufladen, es eng an die Marke binden und dann gezielt Aufmerksamkeit erzeugen. So schaffen wir das Interesse und das Vertrauen, das wir brauchen, um überhaupt in ein Verkaufsgespräch zu starten. Es ist wie bei Apple: Wenn Kunden es haben wollen, weil sie der Marke vertrauen – weil sie die Marke lieben – dann ist es egal, wie die Funktionen im Detail funktionieren.“ Das könne er mit Studien untermauern. Auch habe er viele ähnliche Meinungen auf einer kürzlich besuchten Konferenz gehört.

Wer hat nun recht?

Mittlerweile war es 12.30 Uhr. Mittagspause. Wir vertagten die Diskussion und gingen zur Kantine. Auf dem Weg dachte ich die vielen Diskussionen wie diese, die in Workshops erlebt habe. Am lebhaftesten werden sie immer dann geführt, wenn ein neues Produkt an den Markt gebracht werden soll. Egal ob etabliertes Unternehmen oder Start-up: Letztlich suchen alle nach der einen Story – dem Pitch – der potentiellen Kunden sofort motiviert zuzugreifen. Nur was überzeugt mehr? Produktfeatures. Kundennutzen oder Marke. Was ist wichtiger? Argumente oder Emotionen?

Es kommt am Ende auf die Balance an. Menschen sind emotionale Geschöpfe mit Verstand. Sie kaufen ein Produkt danach was es kann und ihnen bringt. Aber sie kaufen auch die Geschichte, die das Produkt erzählt und damit die Gefühle, die diese Story auslöst. Argumente ohne Emotionen sind langweilig. Emotionen ohne Argumente wirken hohl. Und je nach Gesprächspartner, ist die Balance in die eine oder andere Richtung verschoben.

Nach der Mittagspause kamen wir wieder vor der Wand zusammen. Erholt und mit einem Kaffee in der Hand betrachteten wir die Post-its an der Wand. Da sagte der Produktmanager: „Wir müssen doch eigentlich nur zwei Fragen im Kopf unserer Kunden beantworten. Erstens: Warum soll ich mich das Thema interessieren? Er sieht das Thema und die Chancen darin vielleicht noch gar nicht. Und Zweitens: Warum soll ich eurer Produkt kaufen?“ Ich schrieb die beiden Fragen auf.

„Um die erste Frage zu beantworten brauchen wir einen emotionalen Einstieg. Eine Geschichte, die neugierig macht, an die man sich erinnert. Die eine positive Grundstimmung erzeugt und Vertrauen vermittelt“, fügte der Vertriebsleiter hinzu.

„Und wenn wir das Interesse geweckt haben. Wenn wir im Kopf sind, dann können wir die zweite Frage beantworten. Und unserem Gesprächspartner die Verkaufsargumente mitgeben, die er in der Situation braucht, um eine Entscheidung zu treffen“, sagte der Markenverantwortliche. Für einen Moment kehrte Stille im Raum ein. Die ganze Komplexität des Vormittags hatte sich auf zwei Fragen reduziert. Zusammen machten wir uns an die Arbeit. Und am Abend stand eine Story, die beide Fragen beantwortete.

Auf der Suche nach der richtigen Story argumentieren wir oft aus dem eigenen Fachwissen, der eigenen Theorie oder eigenen Erfahrung. Doch menschliches Verhalten ist komplexer als jedes Denkmodell. Schon deshalb kann es nicht schaden, die eigenen Wahrheiten loszulassen und mit einfachen Fragen anzufangen. Und sie gemeinsam zu beantworten.

Warum sollte sich jemand für dieses Thema interessieren?
Warum sollte jemand genau dieses Produkt kaufen?

Christian_Riedel

Author Christian_Riedel

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  • Mael Roth sagt:

    Hallo Christian,

    Diese Diskussion zwischen den verschiedenen Parteien kommt mir soooo bekannt vor. Oh ja, die habe ich auch ein Dutzend Mal erlebt! :=)
    Genau dann ist es wichtig, einen aussenstehenden dabei zu haben, dem alle ein Stück weit vertrauen. Ob „Storytelling“ oder „Content Marketing“, es ist immer gut sich einen Blick von Außen reinzuholen.

    Grüße!

    Mael

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