Der Nr.1 ChatGPT-Trick, den einem die YouTube-Prompt-Coaches seit zwei Jahren zurufen, lautet „Act like a…“.
Act like a CEO. Act like a Copywriter. Act like a Strategist. Wenn ich der KI im Prompt eine Rolle zuweise, werden die Antworten konkreter und besser.
Alles klar, hab ich mir gedacht – und in meinen deutschen Prompts immer „Handle wie ein“ eingebaut. Und ja, die Antworten klingen sofort besser, smarter, irgendwie vertrauter. Aber Moment mal…
Kann es sein, dass ich hier einem kleinen Übersetzungsfehler bzw. einem Wahrnehmungsfehler aufgesessen bin – einer Story, die ich mir selbst erzähle?
ChatGPT handelt nicht wie ein CEO, Copywriter oder Stratege.
Die Maschine kann nur so klingen, indem sie deren Sprachmuster, Referenzmaterial, Jargon und Argumentationsmuster statistisch berechnet zusammensetzt.
Im Englischen bedeutet „to act“ gleichzeitig handeln und schauspielern. Und da die Maschine (zumindest Stand heute) nicht handelt, ist das, was sie zurückgibt, Schauspielerei. Ich weise der KI sprichwörtlich eine Rolle zu. Und die Maschine spielt sie brillant – weil sie glaubwürdig klingt und ich ihr glauben will.
Zu jeder Arztserie gibt es die Annekdoten, dass die Hauptdarstellenden plötzlich von ihrem Umfeld um medizinischen Rat gefragt wurden. Aber Prof. Brinkmann und Dr. House klangen nur realistisch. Operieren lassen will man sich von ihnen nicht.
In den Medien gibt es die „willing suspension of disbelief“ – die bewusste Entscheidung des Publikums, eine fiktionale Realität anzunehmen, um das Erlebnis voll genießen zu können. Mache ich bei meinen AI-Dialogen nicht was ganz Ähnliches?
Eigentlich wäre der ehrliche Prompt: „Klinge wie ein CEO“, „Sound like a CEO“.
Und überhaupt: Hat eigentlich schon mal jemand die Qualität der Ergebnisse mit und ohne Rollenzuweisung gegenübergestellt? Oder klingen die Antworten für uns nur besser, weil wir eine Befehlszutat hinzugefügt haben? So wie Fertigkuchen besser schmeckt, wenn wir zumindest den Teig selbst angerührt haben.
Der größte blinde Fleck in der KI-Debatte bleibt für mich nicht, was in der Maschine passiert, sondern in unseren Köpfen.