Die Dinge mit anderen Augen sehen.
Leichter gesagt als getan.
Es ist schon nicht leicht, die eigenen Deutungsmuster zu brechen. Noch schwieriger ist es, andere die Welt mit anderen Augen sehen zu lassen. Gleichzeitig einer der wichtigsten Leadership-Skills.
Frame-Switching nenne ich ein Gedankenspiel, um ganz bewusst den gewohnten sprachlichen Betrachtungsrahmen zu verschieben.
Komplexe Themen erschließen wir uns über Metaphern. Sie geben mental den Rahmen vor und bestimmen unterbewusst die Perspektive, wie wir auf etwas blicken. Verändert man bewusst diesen Bezugsrahmen, eröffnen sich völlig neue Perspektiven und neue Geschichten.
Ein Beispiel:
Wir sind intuitiv gewohnt, Instagram, TikTok und Co. als „Social Media“ zu bezeichnen und durch diesen Frame zu betrachten. Der „Social-Media-Frame“ bestimmt mit, worauf wir achten, um uns die Bedeutung der Dinge zu erschließen.
Durch den Social-Media-Frame sehen wir:
➡️ Freundesnetzwerke und soziale Interaktionen
➡️ Likes und Shares
➡️ Fans und Follower
➡️ Influencer und Communities
➡️ Viralität
➡️ Freie Meinungsäußerung
➡️ Content Creator
➡️ Algorithmen und Feeds
Gleichzeitig sehen sich die Plattformen selbst immer weniger als Social Media.
Kyle Chayka argumentiert in einem Artikel für The New Yorker mit dem Titel „Mark Zuckerberg Says Social Media Is Over“, dass Social Media „weniger sozial“ geworden ist. Dies sei nicht nur ein Gefühl, das er bei der Nutzung der Apps habe; es wurde von Mark Zuckerberg selbst während einer Kartelanhörung der Federal Trade Commission gegen Meta bestätigt. Als er nach dem aktuellen Fokus des Unternehmens gefragt wurde, sagte Zuckerberg, dass es jetzt mehr um „entertainment and learning about the world and discovering what’s going on“ gehe.
Hmmm?!?!?
„Entertainment and learning about the world and discovering what’s going on“ klingt sehr nach Fernsehen. Additional Fun-Fact: Tiktok erlaubt neuerdings sogar 60 Minuten Uploads.
Ein Gedankenexperiment
Was wäre also, wenn ich den Frame mal ändere – und Instagram, TikTok und Co. als Fernsehen für die Hosentasche, als “PocketTV” betrachte? Nur so als Gedankenexperiment.
Plötzlich sehe ich ganz andere Aspekte:
➡️ Permanentes Zappen zwischen Inhalten
➡️ Wiederkehrende Formate: Comedy, Doku, Talk, News, Trash, Dance, Prank
➡️ Wiederholungen
➡️ Einschaltquoten (aka Views)
➡️ Promis, Stars & Sternchen
➡️ Produktionsfirmen
➡️ Werbung
➡️ Schleichwerbung
➡️ Dauerwerbesendungen
➡️ Fehlende redaktionelle Verantwortung
➡️ …
Das Framing „PocketTV“ rückt die Plattformen ziemlich nah an existierende TV-Sender. Und man könnte die Frage stellen, warum sie nicht ebenso reguliert werden. Aber das ist eine ganz andere Debatte.
Und das ist der Charme, dieses Gedankenspiels. Es eröffnet neue Fragen und Diskussionen. Es lässt uns die Welt mit anderen Augen sehen.
Und jetzt seit ihr dran: Welchen Frame sollte man wirklich mal switchen?