Inspiriert durchs Leben.
Mit diesem Claim wirbt Ikea schon lange — und hat damit ganz nebenbei den wahrscheinlich besten Storytelling-Tipp von allen auf den Punkt gebracht.
Ich sitze vor dem Laptop, kaue auf meiner Unterlippe und blicke auf den Text vor mir. *Was macht diese Story besonders? Was fehlt hier?
Ich komm nicht drauf und klappe frustriert den Laptop zu.*
Gut, dass es heute Streaming-Angebote gibt, um mich erstmal von der quälenden Frage abzulenken. Kurz hintereinander schaue ich erst die Martin Scorsese Doku auf Apple+ und dann die Haftbefehl-Doku auf Netflix. Auf den ersten Blick zwei unterschiedliche Künstler, zwei unterschiedliche Medienformen, zwei unterschiedliche Generationen.
Gleichzeitig haben sie einiges gemeinsam. Sie teilen die Nähe zu illegalen Halbwelten, sind beide dem Kokaintod mindestens einmal von der Schippe gesprungen, und beide haben genau aus diesen Lebenserfahrungen einen eigenen Blickwinkel auf die Welt gefunden. Egal, wie man zu ihnen steht, die Handschrift, die eigene emotionale Energie, die ihren Geschichten etwas Besonderes gibt, lässt sich nicht leugnen.
Und plötzlich muss ich an den IKEA-Claim denken: Inspiriert durchs Leben!
Inspiriert durchs Leben. Das ist das Gegenteil zur medialen Selbstreferenz, zu Geschichten, die nur durch andere Geschichten inspiriert sind.
Anderes Beispiel: Für die ersten Staffeln von Sex and the City galt noch, dass jede Handlungslinie buchstäblich jemandem im Autorenteam passiert ist oder jemandem, den sie direkt kannten. Selbst wenn manche davon fantastisch und absurd waren, basierten sie alle auf gelebten Erfahrungen. Und irgendwie hat man das immer gespürt.
Genauso spürt man das Gegenteil. In der Kunst genauso wie im Business: Das leblose Mission Statement, das nur von anderen Mission Statements inspiriert ist — aber keinen Bezug zum Unternehmen oder zur Erlebniswelt des Teams hat. Der Werbespot, der aus drei anderen Werbespot-Ideen zusammengeschoben wurde. Die Stellenanzeige, die nur wiederholt, was in anderen Stellenanzeigen steht. Das Reel, das alle gerade machen.
Sicher, solche Stories können im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie auch funktionieren. Aber die bleiben auf einer ästhetischen Oberfläche — und mit GenAI lassen sich unendlich viele solcher Retortenstories generieren. Was Inhalte in Zukunft mehr denn je auszeichnen wird, ist eine tiefere menschliche Ebene. Die Ebene, die entsteht, wenn wir uns die reale Welt genau ansehen, zuhören, beobachten, nachfragen, erleben, Details suchen und beschreiben. Was ist wirklich da?
Ist die Story inspiriert durchs Leben? Mit dieser Frage klappe ich den Laptop wieder auf. Und plötzlich fällt mir ein Detail aus einem Workshop auf, ein einzelnes Wort, das der Story endlich den Spin gibt, den sie braucht.




