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Allgemein

Wer wirft schon gerne seine Ideen in Salzsäure: Gedanken zum Feedback in kreativen Prozessen.

By 28. November 2017One Comment

Manchmal reichen schon ein paar Worte, um jede Bereitschaft für Feedback und Wachstum zu ersticken:

„Ich bin die Salzsäure für euere Geschichten. Wenn ich mit euch fertig bin, habe ich alles unnötige Fleisch von den Knochen eurer Stories abgelöst. Und wenn dann noch was übrig bleibt, dann hat eure Story vielleicht das Potential zu einer guten Story“.

Ich erinnere mich lebhaft an diese Worte. Mit ihnen eröffnete ein durchaus bekannter, deutscher Regisseur sein Drehbuch-Seminar an der Filmschule Hamburg. Während er sie aussprach, drückte er seinen Rücken breitschultrig in die Stuhllehne. Die abgetragene Lederjacke, die er nie auszog, knirschte unter seinen Bewegungen. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und genoss er den erschrockenen Blick seiner Studenten. Einer von ihnen war ich. Das ist jetzt einige Jahre her. Vielleicht waren seine Worte nur als Witz gemeint. Doch sie bewirkten etwas anderes. Die Stimmung des Seminars war vom ersten Moment an vergiftet. Niemand gab seine Geschichten und Ideen mehr mit voller Offenheit Preis. Und unsere Bereitschaft, ein Feedback dieses Regisseurs anzunehmen (oder es auch nur zu überdenken) war gleich Null. Eigentlich schade, denn wir hätten sicher von seiner Erfahrung profitieren können. Doch alles woran ich mich erinnere, ist dieser Einstieg. Wer springt schon gerne in ein Säurebad.

Klar, das ist ein extremes Beispiel. Und doch habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es gerade für Kreative nicht einfach scheint, Feedback zu geben und anzunehmen. Im Laufe meines bisherigen Arbeitslebens habe ich viele schräge Feedback-Situationen erlebt. Vom wütend rumbrüllenden Projekt-Manager bis zum Creative Director, der ein Kundenmeeting wortlos verlassen hat, weil seine Ideen nicht auf ungeteilte Begeisterung gestoßen sind. Und auch ich habe nicht immer nur mit Gelassenheit geglänzt, wenn es um ein kritisches Feedback ging.

Feedback ist wichtig und ein kommunikativer Balance Akt

Aber so sehr es manchmal schmerzt, ohne Meinungen von Außen ist Lernen, Fortschritt und Wachstum schwierig. Trotzdem bleibt es ein kommunikativer Balance-Akt. Denn in den seltensten Fällen sind alle so vertraut miteinander, dass eine Beurteilung allein auf dem richtigen Ohr gehört wird. Und nicht die Beziehungsebene in Frage zu stellen scheint.

Wie kann Feedback funktionieren? Eine Reflektion.

Was jetzt kommt, ist mein Blick auf Feedback geben und Feedback nehmen. Ich bin mir sicher, dass Coaches und Psychologen den Prozess um einiges genauer beobachtet und besser beschrieben haben. Und gleichzeitig beginnt Lernen für mich mit der Reflexion der eigenen Sichtweise. Wenn ich meine Sichtweise auf die Dinge kenne, kann ich sie auch hinterfragen und verändern (Schon deshalb freue ich mich über alle Kommentare, Erfahrungen und oder Lese-Empfehlungen unterhalb dieses Beitrags).

Feedback-Geber und Feedback-Nehmer: Partner mit Verantwortung

Jedes Feedback-Gespräch braucht mindestens zwei involvierte Parteien: Einen Feedback-Geber und einen Feedback-Nehmer. Beide tragen die geteilte Verantwortung dafür, dass das Feedback wirklich zu einer Verbesserung der gegebenen Situation führt. Schauen wir uns beide Seiten einmal genauer an:

Die Annahme erleichtern. Die Verantwortung des Feedback-Gebers.

Der Feedback-Geber ist in der Verantwortung, es dem Feedback-Nehmer so leicht wie möglich zu machen, die Informationen anzunehmen, die das Arbeitsergebnis oder den Arbeitsprozess verbessern. Eine Verantwortung, die um so mehr wächst, je mehr der Feedback-Geber am Ende das kreative Ergebnis zu verantworten hat. Gleichzeitig läuft der Feedback-Geber Gefahr, den falschen Ton zu treffen und damit die Aufnahmebereitschaft des Empfängers zu blockieren. Das geht am Schnellsten mit einer schwungvollen Fundamentalkritik. Die lässt den Feedback-Geber zwar als einen knallharten Kritiker erscheinen, bringt aber in der Regel nichts als Ärger.

Fundamentalkritik bringt nichts außer Ärger.

„Das schmeckt grauenhaft!“ – Als Gast in einem Restaurant ist es irgendwie gerade noch Ok, sein Gericht mit einer vernichtenden Fundamentalkritik in die Küche zurück zu schicken. Schließlich bezahlt man für den reibungslosen Konsum. In bester Erinnerung wird dieses Feedback in der Küche trotzdem nicht bleiben. Vielmehr erhöht es das Risiko, dass jemand in den nächsten Gang spuckt.

In der täglichen Zusammenarbeit hilft Fundamentalkritik noch weniger. Schließlich ist es nicht das Ziel zu konsumieren, sondern gemeinsam ein gutes Ergebnis zu erzielen. Es klingt wie eine Binsenweisheit, aber je konkreter und durchdachter ein Feedback ist, desto mehr Effekt hat es. Der Feedback-Nehmer spürt, wenn sich sein Gegenüber die Mühe gemacht hat, seinen Eindruck und seine Änderungswünsche so ehrlich und genau wie möglich zu beschreiben. Dabei habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es leichter ist, mit den positiven Aspekten zu beginnen. Was funktioniert an einer Geschichte, Idee, Kampagne bereits? Was funktioniert noch nicht? Welche Änderungswünsche habe ich? Welche Änderungswünsche sind optional und welche Änderungen unverhandelbar, um zum Ziel zu kommen?
Dabei gibt es zwei Extremfälle: Erstens, wenn das Arbeitsergebnis überhaupt nicht den Erwartungen des Feedback-Gebers entspricht. Und zweitens, wenn alle Änderungswünsche, die aus dem Feedback entstehen, unverhandelbar sind. In beiden Fällen ist die Enttäuschung des Feedback-Gebers groß. Aber trotz des Ärgers, muss sich der Feedback-Geber in dieser Situation auch fragen, warum es ihm im Vorfeld nicht gelungen ist, seine Erwartungen und Wünsche zu formulieren.

Den richtigen Feedback – Moment erwischen

„Ich glaube, das ist nicht die richtige Botschaft“, sagte ich mit einem kurzen Blick auf den Bildschirm eines Kollegen, der gerade seine Tasche für den Heimweg packte. „Das ist auch nur ein Entwurf“, schnappte er zurück. In der letzten Minute des Tages, hatte ich im Vorbeigehen auf seine Arbeit gespuckt. Ich glaube, dass der Moment, in dem ein Feedback vermittelt wird, mindestens so wichtig ist, wie die Sachebene des Feedbacks. Je hektischer die Situation, je gestresster oder erschöpfter Feedback-Nehmer und Geber sind, desto schwieriger wird die Kommunikation. Ein zwischengeschobenes Feedback Meeting unter Zeitdruck am späten Nachmittag fördert die Aufnahmefähigkeit genauso wenig wie ein kritischer Zuruf über die Schulter hinweg.  Im Zweifel ist es besser, direkt zu fragen, ob es gerade ein guter Moment für ein Feedback ist — bevor man seine Meinung über einem anderen auskippt.

Worum geht es wirklich? Vermeide Stellvertreter-Feedback

Apropos auskippen. Der Killer für jedes Feedback-Gespräch ist „Stellvertreter-Feedback“. Stellvertreter Feedback verpackt eine persönliche, emotionale Kritik als eine Sachkritik. Dabei wird zwar über die Qualität der Arbeit oder der Zusammenarbeit gesprochen, aber eigentlich geht es darum, ein Machtverhältnis zu verhandeln oder gar klarzustellen.
Stellvertreter-Feedback lässt sich an „Wer weiß es besser“-Zänkereien um Details beobachten. Auch wenn sich ein Feedback-Gespräch anfühlt, als würde ein altes Ehepaar über eine falsch ausgedrückte Zahnpasta-Tube streiten, geht es meist um etwas anderes. Um als Feedback-Geber sicher zu sein, nicht unbewusst ein Stellvertreter-Feedback zu geben, ist es gut, sich vor dem Gespräch folgendes zu fragen: „Stört es mich gerade, dass der andere nicht so ist, oder so handelt, wie ich es erwarte? Wenn ja, warum ist mir das so wichtig? Und würde ich in der gleichen Situation wirklich anders handeln.“

Wenn es ein emotionales Problem in der Zusammenarbeit gibt, ist es wichtig das zu benennen. Aber Feedback sollte nie dazu dienen, andere verändern oder gar verbiegen zu wollen. Es geht nicht darum, Eigenschaften und Fehler zu kritisieren, die ich am Anderen nicht mag. Oder gar darum, anderen Erwartungen aufzubürden, die ich selbst nicht erfüllen kann. Es ist kinderleicht, die Schwächen in Kollegen zu erkennen. Es ist viel schwieriger ihre Stärken zu sehen, diese zu benennen und zu fördern.

Je weniger Ego im Spiel ist, desto leichter ist es, den richtigen Ton zu treffen.Dabei gibt es für mich eine einfache Regel: Formuliere dein Feedback so, dass du es auch deiner Großmutter geben könntest. Ohne, dass sie dich danach aus ihrem Testament streicht.

Wenn ein Feedback durchdacht, ohne Machtanspruch, aus offenem Herzen in einer ruhigen Atmosphäre, vertrauensvoll vorgetragen wird, dann hat der Feedback-Geber seine volle Verantwortung übernommen. Dann beginnt die Verantwortung des Feedback-Nehmers.

Aufnehmen. Filtern. Annehmen. Die Verantwortung des Feedback-Nehmers

Der Feedback-Nehmer ist in der Verantwortung das Feedback aufzunehmen. Es ist seine Aufgabe, es zu filtern, zu entscheiden und zu begründen, welche Aspekte er für sich und die Zukunft annimmt (und welche nicht). Dabei ist das größte Hindernis, dass gerade kreative Arbeit eng mit der Persönlichkeit des Schaffenden verbunden ist. Kritisches Feedback an einer Geschichte, einer Idee, einem Konzept fühlt sich schnell wie eine Kritik am eigenen Ich an. Die Folge: Das Ego zieht sich beleidigt zurück und ist eher bereit, die Schwachpunkte in einem Konzept zu ignorieren, als sich einzugestehen, nicht perfekt zu sein. Dabei ist eine emotionale Reaktion ja erstmal ein Ausdruck, dass einem die Sache und die Arbeit etwas bedeutet. Und es wäre schlimmer, wenn einem ein Feedback egal wäre. Dennoch verhindert zu viel Ego Lernen und Wachstum. Bei mir selbst habe ich vier Strategien beobachtet, die mir den Umgang mit kritischem Feedback einfacher machen. Meistens zumindest 😉

Vier Strategien, um mit (kritischem) Feedback besser umzugehen.

1. Die eigenen Erwartungen, Fragen und Wünsche an ein Feedback mit mir selbst klären:
Was für ein Feedback erhoffe ich mir? Welches Feedback fürchte ich und wie wahrscheinlich ist es? Welche Aspekte der Kreation sehe ich selber kritisch? Welche finde ich gut? Was möchte ich von dem anderen erfahren, um meine Arbeit zu verbessern?
Je klarer ich meine Wünsche nach Feedback formulieren kann, desto leichter ist es, das Feedback anzunehmen.

2. Aufnehmen, Durchatmen, Sortieren, Rückfragen.
Es ist leichter ein Feedback erst einmal aufzunehmen, sacken zu lassen und anschließend zu sortieren. Welchen Aspekt der kreativen Arbeit betrifft es wirklich? Manchmal fühlt sich ein Feedback wie eine Fundamentalkritik an, betrifft aber nur einen kleinen Teil der Arbeit und ist mit wenig Aufwand geklärt.

Dabei hilft es ungemein, die inhaltlichen Ebenen eines kreativen Produktes differenzieren zu können. Bezieht sich das Feedback auf die Aussage, die Gestaltung, den Text oder etwas anderes. Schon wird es leichter, sich ein Bild davon zu machen, wie komplex die Änderungen wirklich sind. Im Zweifel stelle ich lieber Rückfragen.

Rückfragen sind übrigens auch der beste Weg, um mit einer blockierenden Fundamental-Kritik umzugehen. Denn meist verbirgt sich hinter einer Fundamentalkritik, der unbewusste Wunsch des Feedback-Gebers mehr zum Ergebnis beizutragen. Dieser Wunsch ist erfüllbar: „Ich sehe, dass Ergebnis missfällt dir. Welche Ideen hast du, um es besser zu machen?“

3. Achtsamkeit und Abstand
Nobody is perfect. Manchmal erwischt einen ein Feedback auf dem falschen Fuß. Wut, Ärger, Verzweiflung oder sogar Verachtung kochen innerlich über — wie ein Topf Milch, der auf dem Herd vergessen wurde. Dann ist es das Beste, die eigenen Emotionen zu bemerken und erstmal Abstand zu suchen. „Vielen Dank für dein Feedback. Allerdings merke ich gerade, dass ich emotional reagiere und Zeit brauche, dein Feedback zu überdenken. Bitte gib mir ein paar Stunden Zeit. Ich komme auf dich zurück.“
Wenn das nicht mehr klappt, der Feedback-Hulk schon ausgebrochen und die Stimmung im Eimer ist, bleibt immer noch, später um Entschuldigung zu bitten. Das klappt, solange es nicht zur Regel wird.

4. Feedback geben aufs Feedback geben.
Die ultimative Kunst der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist es, Feedback zum Feedback zu geben:
„Ich schätze dein Feedback sehr. Und manchmal fühle ich mich von der Art, wie du es formulierst angegriffen. Es würde mir sehr helfen, wenn du dein Feedback so formulieren könntest…“ Schon mal probiert?

Am Ende geht es um Vertrauen

Je länger ich allerdings über die ganze Sache nachdenke, desto mehr glaube ich, dass es letztlich um Vertrauen geht. Wenn das Vertrauen da ist, vom Anderen respektiert zu werden und es das Vertrauen gibt, gemeinsam an der besten Lösung zu arbeiten, dann passiert gutes Feedback von alleine. Und manchmal reicht mir schon, mich wieder daran zu erinnern, dass Vertrauen nicht verdient wird. Ich schenke Vertrauen. Und wer anderen vertrauen kann, gute Ideen haben zu können. Der braucht sie auch nicht in ein Säurebad zu werfen. Oder?

Was sind eure Erfahrungen mit Feedback? Welche schrägen Feedback-Situationen hab ihr bereits erlebt? Ich bin gespannt auf euer Feedback und eure Geschichten.

[Photo by Štefan Štefančík on Unsplash]

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