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Allgemein

Out of the office and into the mountains: Ein Business Retreat in den Bergen

Wer mir vom 23-29.6 eine Mail geschrieben hat, der hat folgende Abwesenheitsnotiz bekommen:


Betreff: Out of the office and into the mountains

Was siehst Du?“, fragte der alte Mann seinen Begleiter, während sie durch den Wald gingen.
„Bäume natürlich!“, antwortete dieser.

„Und jetzt“, fragte der alte Mann erneut, nachdem sie eine Weile bergauf gegangen waren.
„Immer noch nur Bäume.“

„Und nun?“
Sie hatten den Gipfel des Berges erreicht. Der alte Mann lächelte seinen Begleiter erschöpft an.
„Den Wald, den Himmel und den Ozean“, antwortete dieser.

Vom 23.-29.06 wechsle ich die Perspektive, nehme mir Zeit zum Denken und schaue von einem Berg aus auf mein kleines Business. Als ich die Einladung zu http://theretreat.de bekam, habe ich sofort zugesagt und werde Euch auf meinem Blog von meinem Erlebnis berichten. Emails werden mich in dieser Zeit allerdings nicht erreichen. Ich melde mich zurück, sobald ich wieder im Tal bin.

Liebe Grüße,
Christian


Und da bin ich wieder! Zurück im Tal. Zurück in Hamburg. Und natürlich halte ich mein Versprechen ein und schreibe ein paar Zeilen über „TheRetreat.de“.

Darum geht’s bei „TheRetreat.de“

Organisiert wird „The Retreat.de“ von Markus Andrezak aus Berlin. Mit seiner Firma überproduct hilft er Unternehmen dabei, Innovationsideen zu finden, Produktstrategien zu entwickeln und agil umzusetzen. Dabei hat er immer wieder beobachtet, wie schwierig es heutzutage ist, sich die Zeit zu nehmen, um strategische Themen in Ruhe zu reflektieren und zu durchdenken.

Im Tagesgeschäft springen wir von Email zu Email, von Slack Nachricht zu Slack Nachricht, von Meeting zu Meeting. Arbeit hat sich dermaßen beschleunigt, dass sich Nachdenken geradezu altmodisch anfühlt. Und derjenige, der es trotzdem tut, droht als „Bedenkenträger“ und Innovationsbremse abgestempelt zu werden. Oft zu unrecht, denn gerade wer schöpferisch tätig ist, braucht Zeit und Raum zum Denken. Davon berichtet auch der amerikanische Erfolgsautor Ryan Holiday in einem lesenswerten Artikel auf Zeit Online:

„Der englische Programmierer und Buchautor Paul Graham hat in einem Aufsatz Manager mit schöpferisch tätigen Menschen verglichen. Es gäbe zwei Arten, sein Leben zu führen, sagt er. Manager wüssten, dass ihr Tag in Stücke zerteilt sei für Treffen, Telefonate und Verwaltungsaufgaben. Schöpferisch tätige Menschen hingegen brauchten lange Blöcke unverplanter Zeit, in der sie nicht dabei unterbrochen würden, ihren Tätigkeiten nachzugehen. In der sie denken können.“

Mit TheRetreat.de schafft Markus einen Raum mit unverplanter Zeit für wichtige Businessthemen. Drei Tage Rückzug vom Alltag mit moderierten Diskussionen, langen Spaziergängen und stiller Einzelarbeit – aber ohne starre Agenda, Workshop-Spielchen oder esoterische Selbsterfahrungstänze.

Für all das ist die Albert Link-Hütte nahe dem Spitzingsee in den bayrischen Voralpen ideal. LTE Empfang gibt es nur unter dem Vordach der Außentoilette. Ab 22.00 Uhr ist Hüttenruhe; spätestens dann hat jeder Gast in seinem kargen Nachtlager zu sein, um die Bergwanderer, die im Morgengrauen aufbrechen wollen, nicht zu stören. Und kaum ist der Hüttenschlafsack ausgerollt, klimpern einen die freilaufenden Kühe mit sanft improvisiertem Kuhglocken-Jazz in den Schlaf.

Ideen lassen sich nicht erzwingen: Nur entdecken

Als ich von Markus die Einladung bekam, am Retreat teilzunehmen, habe ich sofort zugesagt. Vor etwas über einem Jahr bin ich von meiner Position als Head of Story & Brand bei Jimdo zurück in die Freiberuflichkeit gewechselt. Seitdem habe ich neue Kunden gewonnen, Workshops geleitet, Storytelling Vorträge gehalten, mit Storytelling Games experimentiert, meine Webseite überarbeitet und ein neues Büro im betahaus Hamburg bezogen. Daneben habe ich noch meinen ersten Roman geschrieben und gemeinsam mit Franziska Kahler einen Podcast gestartet. Die Zeit war reif, um kurz anzuhalten, zu reflektieren und meine nächsten Schritte zu planen. Und das ging den beiden anderen Teilnehmern ähnlich, die mit Markus und mir auf die Alm gewandert waren.

Auf der Hütte angekommen, sammelten wir die Themen auf Post-it Notizen, die jeder von uns allein durchdenken oder mit den anderen diskutieren wollte. Ich schrieb all die Sachen auf, die mich in den letzten Wochen „gequält“ haben. Gequält, weil ich die Zeit einfach nicht gefunden habe, sie genauer zu betrachten: „Storytelling Prozesse visualisieren“, „Fokusprojekte definieren“ „Mehr Blogposts schreiben“ „Fachbuchidee vorantreiben“.

Mit Blick auf die Post-Ist haben wir uns dann abgesprochen, welche Themen wir währen der drei Tage auf dem Berg behandeln wollen. Danach sind wir in die erste Arbeitssession gestartet. Doch bereits die erste Frage, die mir einer der Teilnehmer stellte, lies mich zusammenzucken: „Welchen Storytelling-Prozess meist du eigentlich?“
Ich konnte nicht erklären, was ich mit dem Thema genau meinte, obwohl es schon seit Wochen als megawichtig durch meinen Kopf geisterte. Das ärgerte mich. Was war an diesem Thema denn so schwer, dass ich es einfach nicht aufgezeichnet bekam?

Diese Denkblockade lies mich die erste Nacht unruhig schlafen. Ich wachte gegen 5.50 Uhr auf, nahm mir mein Notizbuch und ging spazieren. Verwundert über den frühen Wanderer hoben die Kühe auf der Alm kurz ihre Köpfe, bevor sie sich wieder dem Gras zuwandten. Am Waldrand, etwas oberhalb der Hütte, setzte ich mich auf eine Bank, blickte über das Tal und öffnete mein Notizbuch. Ich war bereit für große Insights, klare strategische Gedanken und sensationelle Ideen. Also schrieb ich drauf los. Aber auf dem Papier kam nichts an. Kein Insight. Keine Idee. Kein strategischer Gedanke, kein Fokusthema, keine Story für den Blog und erst recht kein Prozess. Stattdessen wurde ich wütend. Schließlich war ich durch die ganze Republik gereist, um diese Themen zu klären.

Da brach die Sonne durch die Wolken. Ich schloss die Augen, atmete tief durch, lauschte den Kuhglocken und klappte das Notizbuch zu. Ach, F*** it ! Ideen lassen sich nicht erzwingen. Ich werde diese Dinge schon gelöst bekommen, sagte ich mir und beschloss mich den zweiten Tag zurückzunehmen. Lieber den anderen zuhören, als mich weiter um meine Themen zu drehen.

Ich lobe mich selten selber 😉 – aber das war eine gute Entscheidung. Denn wäre ich meinem Impuls gefolgt, mich mit meinen Themen weiter zurückzuziehen, dann hätte ich mein persönliches Highlight des Retreats verpasst: Die Wardley Maps.

Mein Highlight: Die Wardley Maps

Es war einer der anderen Teilnehmer, der Markus bat, die Anwendung dieses Strategietools genauer zu erklären. Wardley Maps kartographieren die Nutzerbedürfnisse und die Value Chain eines Unternehmens über die kontextuellen Ebenen Sichtbarkeit und Marktreife. Im Gegensatz zu statischen Modellen (wie z.B. SWOT-Analyse oder Business Model Canvas), die einen Schnappschuss des derzeitigen Denkens festhalten, zeigt eine Wardley Map die dynamischen („topologischen“) Abhängigkeiten innerhalb eines Geschäftsmodells (oder eines Produktes). So erleichtern sie strategische Entscheidungen. Benannt sind die Wardley Maps nach Simon Wardley, einem amerikanischen Manager. Er hat das Tool ursprünglich für sich entwickelt, weil ihm ein flexibles Entscheidungswerkzeug fehlte, als er zum ersten Mal als CEO die Leitung eines Unternehmens übernommen hatte. Auf Medium hat Simon Wardley ein ganzes Buch über die Technik und Anwendung veröffentlicht. Ich bin gerade in Kapitel sieben.

Wardley Map Beispiel

„Was hältst du davon, wenn wir eine Wardley Map von deinem Business zeichen?“, fragte mich einer der Teilnehmer am Morgen des dritten Tages. „Vielleicht hilft es, deine Prozessfrage zu klären.“

Wieder ein Angebot, das ich gerne angenommen habe. Ich hatte ja keine Ahnung, wie schmerzhaft es werden würde. Denn die Wardley Map, die dabei entstand, machte mich gleich auf mehrere blinde Flecken in meinem Denken aufmerksam. Und letztlich waren es genau diese blinden Flecken, die mich daran gehindert haben, die mitgebrachten Themen anzugehen. Die Wardley Map war wie ein fehlendes Puzzleteil. Sie hat mir geholfen, die mitgebrachten Themen im Gesamtkontext zu betrachten und zu priorisieren. Und siehe da: Es gibt gerade wichtigere Themen für mein Business als Storytelling Prozesse zu visualisieren.

Was ich mitnehme

Wenn das gleiche Gehirn auf die gleiche Weise über die gleichen Sachen nachdenkt, was soll dabei anderes rauskommen.
Das ist die Erkenntnis, die ich aus dem Retreat mitgenommen habe. Ohne Abstand und Feedback von außen ist die Gefahr hoch, in ein inneres Planungskarussel einzusteigen, in dem vor allem die Themen im Kreis fahren, die das eigene Ego bestätigen. Ja, es kostet Mut dieses Karussell anzuhalten, trotz Tagesgeschäft aus dem eigenen Denken auszusteigen und die Perspektive zu wechseln. Aber es lohnt sich. Und ein Retreat macht es um einiges einfacher.

Menüs enden. Abenteuer beginnen.